Su-100 "Sotka"

Su-100 "Sotka": Beschreibung

In den 60-er Jahren, als in der USA schon funktionsfähige Prototypen des strategischen Bomber XB-70 Valkyrie und des Aufklärungsflugzeuges SR-71 Blackbird, hat das Luftfahrtministerium UdSSR an Kontruktionsbüros Tupolew, Suchoj und Jakowlew die Aufträge auf Entwurf eines strategischen Überschall-Raketenträgers. Das von Jakowlew vorgeschlagene Projekt Jak-33 wurde später abgelehnt. Tupolew hat das Projekt "135" vorgestellt. Die geplante Höchstgeschwindigkeit betrug 2000-2300 km/h, Rumpf und Flügel sollten aus Alluminiumlegierungen gebaut werden.

Das Projekt von Suchoj hatte besser aerodynamische Eigenschaften und sollte eine höhere Kampfeffektivität nachweisen. Die Höchstgeschwindigkeit sollte bei 3000-3200 km/h liegen, das Flugzeug sollte dann aus Titan und speziellen Stahlsorten gebaut werden.

Zu dem Zeitpunkt liefen die Arbeiten an den neuen Triebwerken. Zwei Hersteller haben ihre Dienste angeboten. S. Tumanski hatte damals schon laufenden Projekt R-15 (für den Abfangjäger MiG-25 "Foxbat"). Und R-36-41 von P. Kolesow, dieses Triebwerk wurde bevorzugt. Gleichzeitig hat die Gruppe von A. Beresnjak einen gesteuerten Luft-Schiff Marschkörper X-45 entwickelt.

In Dezember 1961 hat Designer Alexander Poljakow die ersten Entwürfe des neuen Flugzeuges mit der Werksbezeichnung T-4 vorgelegt. Der technische Leiter Naum Tcherniakov hat die Leitung des Projekts übernommen, Chef-Konstrukteur wurde Oleg Samoilowitz. Als weitere Kooperationspartner sind Sergei Lawotschkins KB, Maschinenfabrik Tuschino und "Burewestnick"-KB zu nennen.

Die geplanten Reichweite und Geschwindigkeit haben das Gewicht des Flugzeugs definiert. Es sollte laut Berechnungen 100 Ton betragen. Diese Tatsache hat auch den Namen des Flugzeugs ergeben ("Sotka" bedeutet "Hundertchen" in Russisch).

Was das Entwurf- und Produktionsprozeß betrifft, hat es beinah 9 Jahre gedauert. Vom ersten Blick scheint es ein zu lange Frist zu sein. Aber so viele Aufgaben und Probleme wurde in der UdSSR noch nie auf einmal gelöst. Die Neuigkeitsratio (oder Risikoratio, wie man in den USA sagt) betrug fast 100%. Normalerweise benutzt man in neuen Flugzeugen ca. 50% bekannten und ausprobierten Bauteilen. Für das Projekt "Sotka" wurden spezielle Legierungen, Plastiken und Gummiarten entworfen. Es mag das erste sowjetische Flugzeug sein, der so viele Neuigkeiten enthielt. Der Grund dafür war die geplante maximale Geschwindigkeit von 3000 km/h und daraus ergebene Temperatur des Rumpfes bis 300°C.

Der geplante Geschwindigkeitsband hat hohe Ansprüche an die Aerodynamik gestellt. Im Windkanal des ZAGI (Zentrale Institut für Aero- und Hydrodynamik) wurden über 20 Modellen des Rumpfes geprüft, ganz zu schweigen von zahlreichen Variationen von einzelnen Elementen: Flügel, Motorhauben, Rumpfteile und derer Kombinationen. Die Ergebnisse wurden mit der fliegenden Labor Su-9 ("100L-1") geprüft.

T-4 hat ein dreieckiges Flügel mit 3% Profil und scharfer Vorderkante. Die Benutzung von Canards in Bedingungen von weniger Stabilität (2% Unterschall, 3-5% Überschall) hat die Verluste für Balancierung vermindert, die maximale Reichweite um 7% erhöht und die Belastung der Steuerungselemente reduziert. Die Stabilität hat sich während des Flugs u.a. durch Korrektur des Massenzentrums durch Umverteilung des Treibstoffs. Das Flugzeug hatte dazu noch ein Fly-By-Wire-System. Die Produktion des T-4 wurde hochautomatisiert. Auch 96% der Schweißarbeiten wurden von Automaten durchgeführt.

Das Flugzeug wurde mit Triebwerken von P. Kolesow (Motorenbau-KoBü, Rybinsk) ausgestattet. Alle 4 Triebwerke wurden in einem Gehäuse plaziert. Jedes Paar hatte ein gemeinsames Triebstoffkanal, Die Luftzufuhr erfolgte über Einlässe mit einem geregelten Durchlaß, abhängig von der M-Zahl. Um Brandgefahr zu vermeiden, wurden die Tanks mit einem speziellen neutralen Gas auf Basis des flüssigen Stickstoff gefüllt. Für T-4 wurde auch eine spezielle Art Triebstoff RG-1 (Naftyl) entwickelt. Auch die Triebwerkssteuerung wurde in das Fly-By-Wire-System integriert.

Das Flugzeug wurde mit mehreren Avionikssystemen ausgerüstet. Navigation auf Basis des astroinertionales Systems mit der Ausgabe auf eine Planchette und mehrfunktionalen Steuertafeln, Waffensteuerung mit einem Radar mit einer großen Reichweite vorne, Aufklärung mit optischen, infraroten und elektromagnetischen Sensoren, sowie zum erstenmal verwendeten Seitensichtradar. Der Grad der Komplexität und Integration waren so hoch, daß sich die Besatzung des Flugzeuges auf nur zwei Mitgliedern begrenzen ließ: Pilot und Navigationsoffizier. In diesem Zusammenhang darf man auf keinem Fall die speziell für T-4 entwickelte Rakete "Luft-Erde" mit erhöhter Reichweite und Selbstlenkung vergessen.

Wegen der hohen Geschwindigkeiten und daraus folgender Erwärmung des Flugzeuges bis zu 300 ° wurde es beschlossen, auf die Vorderscheiben zu verzichten. Es blieb nur eine runde Luke oben, auf dessen Deckel ein Sehrohr eingerichtet wurde (nur auf der ersten Maschine). Dieses Sehrohr wurde vom Pilot bei dem Start und der Landung benutzt. Sonst wurde der Flug blind ausgeführt, nur mit Instrumenten. Aber das rief keine Schwierigkeiten herbei, da das Flugzeuges sehr einfach zu steuern war, und über eine gute Stabilität verfügte.

Im Dezember 1965 wurde die endgültige, 33-te Variante des Flugzeuges genehmigt, für den Bau des ersten Prototyps wurden 5 Jahre einkalkuliert. 1966 war die vorläufige Entwicklung erledigt und es ist der Produktionsausstoß der Arbeitszeichnungen begonnen. Der voller Zeichnungssatz auf das "Produkt 101" wurde 1968 ausgegeben. In dem gleichen Jahr ging der Bau los. Schon 1969 waren die meisten Rumpfteile fertig, und 1970 wurde die Montage der Aggregate des Flugzeuges vollständig beendet.

Fast zum gleichen Zeitpunkt, 1968 wurde die Entwicklung des zweiten Prototyps ("Produkt 102") begonnen, 1970 - des dritten ("Produkt 103") und, ein Jahr später noch des vierten ("Produkt 104"). Die Exemplare "105" und "106" wurden eben so geplant.

Am 22 August 1972 hat der Chef-Pilot Wladimir Iljuschin (der Sohn des bekannten Flugzeugkonstrukteurs Sergej Iljuschin), zusammen mit dem Navigator A. Alförow, das erste T-4 mit der Bordnummer "101" in die Luft gehoben. Der Flug dauerte 40 Minuten. Im neunten Testflug, am 6 August 1973 brach die Maschine die Schallmauer (mit der Geschwindigkeit von M 1,3) durch. Der letzte Flug fand am 22 Januar 1974 Jahre statt. Insgesamt hat das erste Exemplar 10 Std. und 20 Min in der Luft verbracht.

Der erste Prototyp "101" wurde für die Weiterentwicklung der Bordsysteme, Bestimmung der Stabilität auf den maximalen Geschwindigkeiten und Bestimmung der technischen Daten und bestimmung der taktischen Einsatzgebieten. Die geplante Aufgabe des Prototyps "102" war die Weiterentwicklung der Avionik und des "103" - die tatsächliche Starts der gelenkten Rakete. Mit dem Flugzeug "104" sollten komplette Waffensysteme (Bomben, gelenkte Raketen) getestet werden, für weitere Modifizierungen der Bordelektronik stände danndie Nummer "105" zu Verfügung. Und um alle Systeme zusammen zu testen (und weiterentwickeln), wurde der Prototyp "106" bestimmt.

Nach einem 8-jährigen Aufenthalt in LII (Institut für Flugversuche) in Schukovski (ca. 25 km südöstlich von Moskau), wurde das Flugzeug ins Museum (Monino, nordöstlich von Moskau) überführt. Einige Teile des Prototyps "102" wurden auch ausgestellt, aber später wieder geschnitten und utilisiert. Das gleiche Schicksal hatten schon fertige Teile des "103". Zuerst hat alles sonnig ausgesehen. Der Bau des T-4 wurde als besonders vorrangige Aufgabe eingestuft. Es wurde vorgesehen, 250 Muster in Kazan zu bauen. T-4 war in der Lage, Land- und Überwasserziele auf der Entfernung bis zu 3000 Kilometer zu treffen. Ungeachtet der Flügel mit unveränderter Geometrie, war T-4 eigentlich Universalflugzeug. Es wäre auch als Aufklärer wirksam.

Aber alle mögliche Hürden haben die Arbeiten an T-4 verzögert. Erfolgreich gingen in die Serie die Abfangjäger Su-11 und Su-15, die Entwicklung des Su-24 lief nach Plan... Nur mit dem T-4 ging es nicht. Der Vorschlag A. Tupolevs über Modernisierung seines Tu-22 Blinder, das in Kazan gebaut wurde, hat mit Sicherheit das Ende des T-4 beeinflußt. Es ging um den neuen Tu-22M (auch als Tu-26 Backfire) bekannt. Ohne Zweifel kann man sagen: Backfire war das Ende des "Sotka". In Kazan hat man angefangen, die Anlagen für den Bau des T-4 zu demontieren. Später kam noch eine große Bestellung der Luftwaffe auf Jagdflugzeug vom Typ MiG-23. Dann gab es auch im Werk Tuschino keine Kapazitäten mehr... Und nach der Entscheidung über Entwicklung des Tu-160 Blackjack mit einer größeren, als bei T-4, Reichweite, hat den schwarzen Teufel T-4 auf immer begraben.

Ausführungen und Varianten

Das neue Flugzeug hatte einen tragenden Rumpf, nur die Triebwerksverkleidungen, Flügel und zwei Seitenruder waren außen zu sehen. Durch solche Zusammenstellung sollten höhere aerodynamische Werte erreicht werden, und ein größeres Volumen des Rumpfes hätte für den notwendigen Treibstoffsvorrat und eine optimalere Beladung sorgen können. Die Stellung der Flügel konnte sich von 30 bis zu 72 Graden ändern. Als Triebwerke wurden 4 NK-101-Doppelkontur-Motoren mit je 196 kN Schub und variabler Konturänderung geplant.

Ungeachtet seines hohen technischen Niveau, ist T-4MS nur auf dem Papier geblieben. Das Finale des Wettbewerbes fand 1975 statt. Angeboten wurden das Projekt M-18 von Mjasischtschew (von außen dem B-1 sehr ähnlich) und Tu-160 Blackjack von Tupolew. Das Projekt von Mjasischtschew wurde zwar als besseres bewertet, aber ... gewonnen hat.. der Tu-160.

 

Technische Daten

Daten
T-4
T-4 MS
Abmessungen:

Spannweite, m

22,7
40,8

Länge, m

44,5
41,7

Höhe (am Boden), m

11,95
8,0

Tragflügelfläche, m²

295,7
k.A.
Triebwerke:

Hersteller

4 x Kolesow RD 36-41
4 x NK-101

Typ

4 Turbofan-Triebwerke

Schub, kN

4 x 156,8
4 x 196
Gewicht:

Leermasse, kg

55600
k.A.

Startmasse, normal, kg

114000
170000

Startmasse, maximal, kg

135000
k.A.
Leistungen:

Höchstgeschwindigkeit, kmh

3200
3200

Reisegeschwindigkeit, kmh

3000
k.A.

Maximale Flughöhe, m

23000
24000

Einsatzradius, km

7000
11000

Startbahn, m

950-1050
k.A.

Landebahn, m

800-900
k.A.
Weitere Daten:

Besatzung

2 (Pilot und Navigator)

3

Bewaffnung

2 x H-45 Raketen mit Reichweite 1500 km

bis 4 x H-45 oder 24 x H-200 S Raketen

 

Weiteres

Also hat die, auf "leichte" Flugzeuge spezialisierendes Suchoi-KoBü, ein einzigartiges Bomber T-4 entwickelt. Die Anwendung von Titanlegierungen hat die neuen Perspektiven für Entwicklung der Überschallluftfahrt geöffnet. Viele Ideen aus dem T-4 wurde später in anderen Flugzeugen wie Su-27 Flanker (Fly-by-wire-System) und Raumschiff Buran (Legierungen) realisiert.

Die Steuerungssysteme des T-4 ließen es zu, die autonome taktische Information zu haben, ohne die Zone der gegnerischen Luftabwehrkräften zu betreten. Seine Geschwindigkeit war so hoch, daß Entwicklung wirksamer Abwehrkräften zu einem großen finanziellen Aufwand gezwungen hätte.

Allein das Konzept des Überschallflugzeuges und die neuen Technologien für seine Produktion hätten die neue Etappe in Entwicklung der Mittel mit dem horizontalen Start, die fähig sind, Raketensysteme und Raumschiffe starten zu lassen, die das gleiche Startgewicht wie die konventionellen Systeme haben, aber mit einem höheren Nutzgewicht. Das hätte die Wiederverwendung der ersten Stufe bedeutet, und das mit der Flexibilität einer Flugplatzbasierung! Man hätte neue, kompliziertere Aufgaben in Weltraumforschung lösen können: Rettung der Kosmonauten auf den Laufbahnen, Unterstützung der funktionalen Raumfahrtgruppen, Testen und Inspektion von Raumschiffen.

 

Zeichnungen und Schemen

 

Strategischer Raketenträger T-4 ("Sotka")

 

Strategischer Raketenträger T-4MS

 

T-4 und seine Varianten: Waffendisposition

 

Nach oben